1. Vorgeschichte
Der südwestlich von Stralsund gelegene Landstrich gehört zu Neuvorpommern, das an Mecklenburg grenzt. Hier befinden sich auch die Ackerbürgerstädte Tribsees und Franzburg. Tribsees ist eine slawische Siedlung. Sie wurde 1136 als Missionsgeschenk für den Bischof Otto von Bamberg von Lothar von Sachsen angelegt. 1140 kam die Burg Tribsees hinzu. 1287 erhielt Tribsees Lübisches Stadtrecht.
Erst Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in dem am kleinen Fluss Trebel gelegenen Tribsees Industrie: holzverarbeitende Betriebe, Maschinen- und Zementfabriken. Außerdem existierte in Tribsees eine Unteroffiziersschule.
Bis 1952 gehörte Tribsees zum Kreis Grimmen, wurde dann Bestandteil des Landkreises Stralsund und schließlich 1994 dem Großkreis Grimmen zugeordnet. Heute zählt es rund 3220 Einwohner.
Ganz anders verlief die Geschichte der rund 15 km von Tribsees entfernten Stadt Franzburg. Hervorgegangen war sie aus dem 1231 gegründeten Zisterzienserkloster Neuenkampf, das aber 1535 abgerissen wurde. Erst 1587 ließ Herzog Borgislaw III. die Handwerkerstadt Franzburg errichten, benannt nach dem Schwiegervater des Herzoges. Das Schloß Franzburg entstand 1580 auf einigen Grundmauern des Klosters. Im Dreißigjährigen Krieg – um 1640 – verfielen Schloß und Stadt.
1722 wurde Franzburg als reine Ackerbürgerstadt neu besiedelt und Anfang des 19.Jahrhunderts sogar Landsitz des Kreises Franzburg-Barth, den man jedoch 1925 nach Barth verlegte. Von 1952 bis 1993 befand sich Franzburg im Landkreis Stralsund, gehört nun zum Großkreis Grimmen und zählt 2500 Einwohner.
Die Stadtväter von Tribsees als Ackerbürger- und Industriestadt und der Kreisstadt Franzburg bekundeten bereits in den 1880er Jahren großes Intresse, die Industrie- und Handwerksbetriebe auszubauen. Dafür war der Anschluss an das Eisenbahnnetz dringend erforderlich. Von 1885 bis 1890 gab es den Plan, eine Verbindung Gnoien – Tribsees – Franzburg – Richtenberg – Stralsund bzw. Velgast oder Grimmen zu schaffen. Die dazu verfassten Petitionen der örtlichen Stadtoberhäupter reichten allerdings noch nicht aus, um den Bahnbau zu rechtfertigen.
Wichtiger erschien aus strategischen Gründen eine Ost-West-Verbindung von Greifswald über Grimmen und Tribsees bis in das mecklenburgische Güstrow. Solche Pläne gab es bereits 1882. Est zu Beginn der 1890er Jahre sind entsprechende Vorhaben ernsthaft diskutiert worden. Doch niemand ahnte, dass zehn Jahre später Tribsees Endpunkt von vier Eisenbahnunternehmen sein würde.
Am 12.Dezember 1892 lagen die ersten konkreten Projekte für die neuvorpommerschen Kreise Franzburg, Grimmen und Greifswald auf dem Tisch. Sie entstanden unter maßgeblicher Beteiligung von Lenz & Co und sahen u.a. folgende normalspurigen Stecken vor: Velgast – Semlow – Trbsees (etwa 30 km), Velgast – Grimmen (etwa 20 km) und Velgast – Richtenberg – Franzburg – Grimmen (etwa 28 km). Eigentumsfragen und Rechtsformen wurden hiebei noch nicht erörtert. Zeitgleich projektierte die Mecklenburgische Friedrich-Franz-Eisenbahn (MFFE) eine Nebenbahn von Rostock über Sanitz nach Tribsees mit Abzweig nach Tessin. Da Tribsees auf preußischen Gebiet lag, begannen im Dezember 1893 zwischen Mecklenburg und Preußen Verhandlungen über den Bau und Betrieb der Nebenbahn, die in einen im April 1894 unterzeichneten Staatsvertrag mündeten. In diesem Zusammenhang war auch wieder die Querverbindung nach Greifswald ins Gespräch gekommen.
2. Bau und Eröffnung
Unabhängig davon hielten auch der preußische Staat, der Provinzialverband Pommern und die neuvorpommerschen Kreise an den beabsichtigten Bahnbauten fest und ließen die zunächst mit der Franzburger Südbahn (FSB) in die Tat umsetzen.
Obwohl mit Vorarbeiten für die normalspurige Kleinbahn Velgast – Tribsees bereits 1893 begonnen wurde, gab es zu diesem Zeitpunkt noch immer keine Klarheit über das künftige Streckennetz. Als der Regierungspräsident in Stralsund am 10.Mai 1894 die Konzssion für die Franzburger Südbahn erteilte, lief der Bahnbau bereits auf Hochtouren. 150 Soldaten des Preußischen Eisenbahnregiments No. 2 verlegten vom 20.August bis 29.September 1894 30 km Oberbau. Da der Bettungskies nicht rechtzeitig heranzuschaffen war, konnte das Gleis nur teilweise errichtet, gestopft und somit befahrbar gemacht werden. Daher beschränkte sich die Betriebsaufnahme auf den Streckenabschnitt Velgast – Ravenhorst. Erst am 19. Mai 1895 wurde die restliche Strecke bis Tribsees eröffnet.
Inzwischen entstand unter Regie der MFFE der Bahnhof Tribsees. Die Staatsbahn nahm den Betrieb nach Rostock bzw. Tessin am 16. November 1895 auf. Kurz zuvor unterzeichneten u.a. MFFE, FSB und der Kreistag in Grimmen einen Vertrag über die Einführung der Franzburger Südbahn in den Bahnhof Tribsees, wobei für letztere eine bescheidene Bahnanlage in Höhe des Bahnhofsgebäudes, sozusagen im „Vorgarten“, genehmigt worden war. Gleichzeitig berücksichtigte man auch den Zugverkehr der am 8.Mai 1895 konzessionierten Privatbahn Greifswald – Grimmen – Tribsees. Noch 6 Wochen zuvor, am 27. März 1895, wollte Lenz & Co, auch Greifswald mit der Kleinbahn verbinden, und zwar von dem an der FSB gelegenen Bahnhof Hövet. Dieser Plan wurde , zugunsten der am 26. November 1896 eröffneten Greifswald-Grimmer Eisenbahn die als Privatunternehmen dem allgemeinen Verkehr dienen und somit Durchgangsfrachten von Ost nach West und umgekehrt transportieren durfte, jedoch schnell verworfen.
Noch immer hatte die Kleinstadt Franzburg mit ihrem Landratsamt keinen Bahnanschluß erhalten. Da die Kleinbahnstrecke Hövet – Franzburg – Grimmen nicht zustande gekommen war, projektierte Lenz & Co eine von dem Haltepunkt Neu Seehagen abzweigende Stichbahn nach Franzburg. Am 26. Mai 1895 beschloß der Kreistag in Franzburg den Bahnbau. Das Planfeststellungsverfahren wurde jedoch erst am 2.Dezember 1897 beendet. Am 21.Juli 1898 erteilte der Regierungspräsident in Stralsund die Betriebskonzession. Nachdem die Strecke am 15.Oktober 1898 landespolizeilich abgenommen worden war, wurde sie ab 18. Oktober 1898 planmäßig von Reise- und Güterzügen befahren.
Doch damit nicht genug! Franzburg bekam außerdem zwei Jahre später Anschluß an die am 5.Oktober 1898 konzessionierte Stralsund-Tribseeser Eisenbahn, die vom Bahnhof Tribsees in das Streckengleis der Greifswald-Grimmer Eisenbahn einmündete. Nun bestand in Neuvorpommern ein komplexes und die Fläche gut erschließendes Eisenbahnnetz, wobei Tribsees den Mittelpunkt des Betriebsgeschehens bildete.
Eisenbahnstrecken die durch Tribsees liefen:
Strecke | Eröffnung | Unternehmen | Betriebsform | Stillegung |
---|---|---|---|---|
Velgast - Tribsees | 19. Mai 1895 | AG Franzburger Südbahn (FSB) bis Pommersche Landesbahn (PLB) bis 1949 und Deutsche Reichsbahn | Kleinbahn/ Nebenbahn | 27. Mai 1995 |
Rostock - Sanitz - Tribsees | 16. Nov. 1895 | Meckleburgische Friedrich-Franz-Eisenbahn (MFFE) bis 1919, Meckl. Staatsbahn bis 1920, Dt. Reichsbahn | Nebenbahn | Okt. 1945 (Sanitz - Tribsees) |
Greifswald-Grimmen-Tribsees | 26. Nov. 1896 | Eisenbahn-Gesellschaft Greifswald-Grimmen (GGE) | Privatbahn (Nebenbahn) | Aug. 1945 |
Franzburg - Tribsees | 1. Juni 1901 | Eisenbahn-Gesellschaft Stralsund-Tribsees (Str.Tr.E) | Privatbahn (Nebenbahn) | Aug. 1945 |
3. Weitere Entwicklung
Zurück zur Franzburger Südbahn. Der Bau dieser einzigen normalspurigen Lenz-Kleinbahn in Vorpommern erforderte Kapital in Höhe von 1.420.400 Mark. Das für die Bahnanlagen erforderliche Gelände wurde von den Anliegern zur Verfügung gestellt. Am Aktienkapital waren ursprünglich Preußen mit 318. 000 Mark, die Provinz Pommern mit 321.000 Mark, der Kreis Franzburg-Barth mit 335.000 Mark, die Firma Lenz & Co und Privatpersonen mit 112.000 Mark beteiligt.
Für den Betrieb der Bahn waren bis 1910 die Betriebsabteilung der GmbH Lenz & Co in Stettin, bis 1920 der Provinzialverband von Pommern, bis 1937 die Vereinigung vorpommerscher Kleinbahn GmbH, bis 1940 die Landesbahndirektion Pommern und ab 1940 die Pommerschen Landesbahnen (PLB) zuständig.
Das Verkehraufkommen mit Autobussen hielt sich durch das gut ausgebaute Eisenbahnnetz in den damaligen Kreisen Grimmen und Franzburg-Barth stets in Grenzen. Bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges fuhren zwischen Velgast und Triebsees sowie Velgast und Franzburg täglich je zwei Personenzüge mit Güterwagentransport. Reine Güterzüge gehörten zur Seltenheit und fielen höchstens in den Herbstmonaten an. Dennoch mussten täglich zwei Dampflokomotiven und Personenzugtrains eingesetzt werden. Als dann von 1915 an die Betriebskosten kriegsbedingt in die Höhe schnellten, wurde der Zugverkehr eingeschränkt. Von nun an wiederholten sich Geschäftsabschlüsse mit Unterbilanzen fast jährlich. 1920 hatte die Bahn Gesamtschulden in Höhe von 508.400 Mark. Und gerade in dieser Situation streikten die Eisenbahner und forderten, wie alle anderen Kollegen der vorpommerschen Kleinbahn, höhere Löhne. Vom 23. bis 27.Oktober 1920 fuhr deshalb kein einiger Zug. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch die Beschäftigten der benachbarten Privatbahnen von dem Ausstand für kurze Zeit „angesteckt“ worden waren, obwohl es dazu wegen der dort höheren Löhne keinen Anlass gab.
Infolge des aufkommenden Kraftverkehrs und der direkten Zugverbindungen in die Kreisstädte Grimmen, Franzburg und Stralsund durch die beiden Privatbahnen besserte sich die ökonomische Situation auch nach der Inflation nicht. Hinzu kam der direkte Reichsbahnanschluss von Tribsees nach Rostock. Beförderte die Südbahn im Geschäftsjahr 1900/01 32.325 Personen und transportierte sie 43.626 t Güter, schrumpften die Leistungen bis 1923/24 auf 14. 937 Personen und 27. 793 t Güter. Obwohl der Güterverkehr in den folgenden Jahren wieder anstieg (1928: 40. 234 t), ging der Personenverkehr weiter zurück (1928: 13. 087 Personen). Da auch durch Personalabbau von 9 Angestellten und 30 Arbeitern im Jahre 1913 auf 8 Angestellte und 20 Arbeiter im Jahre 1929 die roten Zahlen nicht verschwanden, wurde vom 30.September 1930 an der Personenverkehr auf dem Streckenabschnitt Neu Seehagen – Franzburg eingestellt. Hier fuhren inzwischen ohnehin nur mittwochs – also einmal in der Woche – zwei Zugpaare. Auf der Stammstrecke Velgast – Tribsees rollte seit Jahren nur werktags ein Zugpaar. Diese Einschränkungen ermöglichten das weitere Überleben der Franzburger Südbahn. Mit Sicherheit ist es dem relativ dürftigen Straßennetz zwischen Velgast und Tribsees zu verdanken, dass die Bahn nicht schon vor dem ZweitenWeltkrieg stillgelegt und abgebaut wurde. Um einer Stillegung vorzubeugen, übernahmen Kreis, Provinz und Staat Mitte der 1920er Jahre alle im Besitz von Lenz & Co und Privatpersonen befindlichen Aktien – übrigens eine Maßnahme, die bei allen pommerschen Kleinbahnunternehmen durchgesetzt wurde.
Während des Zweiten Weltkrieges nahmen auf den so entstandenen „Franzburger Bahnen Süd“ die Beförderungs- bzw. Transportleistungen wieder zu. 1940 fuhren 21.489 Personen mit der ehemaligen Franzburger Südbahn, und 53. 359 t wurden transportiert. Noch vor dem Ende des Krieges wurde Tribsees Endpunkt für zahlreiche Rückführzüge der Pommerschen Landesbahn von östlich der Oder gelegenen Strecken.
Während der Sommermonate 1945 mussten die Gleisanlagen der Greifswald-Grimmener, Stralsund-Tribseeser Eisenbahn und der DR-Strecke Sanitz – Tribsees bis auf einige Anschlüsse restlos abgebaut werden. Die Schienen fielen unter die Reparationsleistungen an die UdSSR. Ausgenommen davon blieb die Franzburger Südbahn. Die jetzt einzige Verbindung nach Franzburg und Tribsees nahm den Reiseverkehr Velgast – Tribsees wieder auf. Obwohl im Sommerfahrplan 1947 unter der leeren Fahrplantabelle der Strecke Velgast – Tribsees der Vermerk „z.Zt. kein Zugverkehr“ angebracht war – die Strecke Neu Seehagen – Franzburg fehlte gänzlich -, verkehrten nach mündlichen Überlieferungen örtlich bekanntgegebene Personenzüge.
Bis Ende 1946 oblag den Pommerschen Landesbahnen mit Ausweichsitz in Binz (Rügen) die Betriebsführung. Nunmehr bediente die Bahn auch sämtliche Ladestellen in Tribsees, eingeschlossen den Anschluß Raiffeisen der Greifswald-Grimmener Eisenbahn gemäß einem Vertrag zwischen den Pommersche Landesbahnen und Lenz & Co. Vom 1.Januar 1947 an war für den Betrieb das der Hauptverwaltung der Eisenbahen des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Demmin unterstellte Landesbahnamt Barth zuständig. Um die durch den Abbau der Stralsund-Tribseeser Eisenbahn vom Schienenverkehr abgeschnittene Stadt Richtenberg wieder mit der Bahn zu erreichen, wurde vom Februar bis Juni 1948 über den Wiederaufbau der 3,5 km langen Teilstrecke Richtenberg – Franzburg verhandelt. Dazu erließ die SMAD (Sowjetische Militäradmistration in Deutschland) in Güstrow am 10.Mai 1948 den Befehl Nr. 57. Dieser musste jedoch mangels Oberbaumaterials einen Monat später wider storniert werden.
Nach Übernahme der Bahn durch die DR am 1.April 1949 wurde u.a. das Nebenamt Friedland mit der Kleinbahnabteilung Tribsees gegründet. Ihr oblag in erster Linie die Betriebsführung auf der Stecke Velgast – Tribsees. Noch ehe dieser neue Verwaltungsapparat richtig funktionierte, verschwand die Kleinbahnabteilung wegen des hohen Personalaufwandes ersatzlos. Vom 1.Oktober 1949 an gehörten die ehemaligen Strecken der FSB zum Reichsbahnamtsbezirk Stralsund.
Während sich das Reiseverkehrsaufkommen durch regelmäßig bediente Kraftomnibusse in Richtung Stralsund, Grimmen und Rostock in Grenzen hielt, wurden im Güterverkehr beachtliche Transportleistungen erbracht. Allmählich verschwanden auch die klassischen FSB-Betriebsmittel und teilweise auch die erwähnten Rückführfahrzeuge. ELNA-Lokomotiven und Triebwagen unterschiedlicher Bauart bestimmten jetzt das alltägliche Bild. Bis in die 1960er Jahre verkehrten täglich vier Zugpaare. Während nach Franzburg vorwiegend gemischte Züge fuhren, waren es von Velgast nach Tribsees seit 1963 für den Reiseverkehr ausschließlich Triebwagen.
Bedingt durch die günstigen Busverbindungen in die Kreisstadt Stralsund ging der Reiseverkehr auf dem Streckenteil Neu Seehagen – Franzburg immer weiter zurück, sodass er am 13.Januar 1969 eingestellt wurde. Der Güterverkehr beschränkte sich von nun an auf den Abtransport von landwirtschaftlichen Erzeugnissen in den Herbstmonaten. Am Jahresende 1975 wurde das als Streckenrangierbezirk betriebene Gleis endgültig stillgelegt und anschließend abgebaut werden.
In den letzen beiden Jahrzehnten dienten die vier täglichen Triebwagenfahrten zwischen Velgast und Tribsees in erster Linie der Bedienung der 15 Haltepunkte, die teilweise wegen fehlender Straßen nicht durch Kraftomnibuslinien erschlossen waren. Außerdem gab es regelmäßigen Schülerverkehr. Für den bis Ende 1989 wesentlich intensiveren und sich seit Anfang der 1970er Jahre ausschließlich auf den Bahnhof Tribsees konzentrierten Güterverkehr wurden bis dahin täglich zwei Güterzugpaare eingesetzt. Durch die neue Witschaftsstruktur ist der Fortbestand der Reststrecke langfristig nicht mehr gesichert. In absehbarer Zeit ist zumindest mit der Einstellung des Reiseverkehrs zu rechnen.
Dies geschah dann auch zum Fahrplanwechsel am 27. Mai 1995.
In den folgenden Jahren wurde es ruhig auf den Gleisen. Schnell waren einige Teile der Strecke unter dem dichten Gras nicht mehr auszumachen. Zunächst gab es Planungen, die Strecke als Zufahrtsgleis zu einer Mülldeponie weiter zu nutzen. Es blieb jedoch bei dieser Idee, da die Umsetzung sowohl an den hohen Kosten, als auch am mangelnden Wohlwollen der Beteiligten scheiterte.
Bis heute liegen jedoch die Pläne einer Draisinenstrecke in den Schubladen. Ob diese Idee jedoch überhaupt noch verwirklicht werden kann, bleibt fraglich. Seit 2008 hat der Abbau der Strecke begonnen. Zunächst wurde das gesamte Streckengleis von Tribsees bis Semlow demontiert. Im Jahr 2010 wurde der Abbau fortgesetzt. Nun fehlen die Gleise bereits bis Koitenhagen. Wie es weiter geht, bleibt abzuwarten.
4. Anlagen
Das 39,39 km lange Streckennetz teilte sich in die Abschnitte Velgast – Triebsees (30,25 km) und Neu Seehagen – Franzburg (9,14 km).
Die Gleislänge betrug 1906 42,83 km und ab 1914 43,37 km. Der bis heute in Kiesbettung liegende Oberbau bestand anfänglich auf der Stammstrecke Velgast – Tribsees aus 10 m langen und 20 kg/m schweren Schienen. Zwischen Neu Seehagen und Franzburg kamen Schienen mit einer Masse von 24,39 kg/m zum Einbau. Während zunächst auf 10 m neun bis elf kieferne Schwellen kamen, wurde der Oberbau bis 1914 auf 13 Schwellen je 10 m verstärkt. Auch in den folgenden Jahren stabilisierte man den Oberbau schrittweise, vor allem in den Gleisbögen, durch altbrauchbare Staatsbahnschienen unterschiedlicher Formen. Noch 1947 gab es auf einer Länge von 14,33 km Lenz-Schienen mit 20 kg/m aus dem Jahre 1894. Erst die Deutsche Reichsbahn erneuerte den Oberbau in den 1960er und 1970er Jahren mit S-49-Schienen und Betonschwellen.
Bis auf die Stahlträgerbrücke über die Trebel bei Tribsees gab es keine nennenswerten Kunstbauten.
Die Hochbauten beschränkten sich auf ein Minimum. In Tribsees war lediglich ein kleiner Stückgutschuppen vorhanden. Erst nach dem Abbau der Greifswald-Grimmer Eisenbahn nutzte die Franzburger Südbahn die dortige Lokwerkstatt, den Triebwagenschuppen, das der DR gehörende Bahnhofsgebäude und den Güterschuppen. Somit wurde die Bahn alleiniger Betreiber der nun unwesentlich reduzierten Gleisanlagen der DR und GGE in Tirbsees. 1946 verschwand daher die hier überflüssig gewordene FSB-Gleisanlage. In Franzburg stehen ein von 1900 an mit der Stralsund-Tribseeser Eisenbahn gemeinsam genutztes Stationsgebäude und ein einständiger Lokschuppen. Auf dem Bahnhof Velgast verfügt die Bahn über einen zweiständigen Lokschuppen und eine massive Dienstbude. Auf den Unterwegsbahnhöfen Hövet, Neu Seehagen (Abzweigestelle und Haltepunkt), Behrenwalde, Koitenhagen, Ravenhorst, Forkenbeck, Semlow, Stormsdorf, Kavelsdorf, Landsdorf, Tribsees Landstraße und Tribsees Steintor gab es Wellblechbuden.
Gleissperren, Weichenschlösser, das Streckentelefon und das Einfahrsignal in Tribsees sowie eine Schutzweiche in Neu Seehagen bildeten die Sicherungstechnik.
5. Fahrzeuge
Rechtzeitig zur Inbetriebnahme der ersten Teilstrecke beschaffte Lenz & Co vier zweiachsige Naßdampftenderlokomotiven der Gattung d, die in größerer Stückzahl von Vulcan in Bredow bei Stettin für normalspurige Kleinbahnen dieses Unternehmens in Auftrag gegeben worden waren. Mit den Betriebsnummern 1d bis 4d bezeichnet, wurden diese Zweikuppler am 13.September 1894 durch das Maschinenamt Stettin-Stralsund abgenommen. Es handelt sich dabei um die im Wesentlichen nachgebaute T-1-Omnibuslokomotive der Bauart Magdeburg, von der Vulcan im Jahre 1882 insgesamt 14 Exemplare gebaut hatte. Während die Staatsbahnmaschinen bis 1911 restlos auf das Abstellgleis gelangten, waren die auf dem Gebiet der DDR verbliebenen Lokomotiven noch bis in die 1960er bzw. 1970er Jahre, zum Teil auf Werksbahnen, in Betrieb.
Die Maschinen der Lenz-Gattung d gehörten über mehrere Jahrzehnte zum Bestand der Bahn. Die Lokomotive 1d wurde 1938 ausgemustert. Die 2d und 3d dagegen kamen nach 1949 zur Deutschen Reichsbahn. 1923 übernahm die Bahn eine preußische T3, die zwei Jahre zuvor von der Reichsbahn zur Marburger Kreisbahn gelangte und ebenfalls 1949 von der DR übernommen wurde. Die Lokomotive 4d soll bereits 1896 an die Strausberg-Herzfelder Kleinbahn abgegeben worden sein.
Ein besonderes Kapitel in der FSB-Geschichte bildeten sieben Normalspurlokomotiven, die 1945 als Rückführfahrzeuge nach Barth und Tribsees gelangten und dort teilweise längere Zeit abgestellt waren. 1948 erfasste die aus der Hauptverwaltung der Eisenbahnen des Landes Mecklenburg-Vorpommern hervorgegangene Vereinigung volkseigener Betriebe [der DDR]- VVB Verkehr Demmin diese ebenso wie weitere vier auf der Insel Rügen abgestellte sowie je eine bei der Neubrandenburg-Friedländer und zwischen Kröslin und Wolgast Hafen eingesetzte Lokomotive pro forma bei der Franzburger Südbahn als der einzigen ehemaligen Pommerschen Landes-Normalspurbahn in Deutschland.
Sämtliche Lokomotiven und Wagen wurden bis 1949 in der 1912 wesentlich erweiterten Werkstatt Barth der meterspurigen Franzburger Kleinbahn instandgehalten. Bei Revisionen mussten die Fahrzeuge über die Staatsbahnstrecke Velgast – Barth gegen Entgelt rollen. 1949 wurden diese Anlagen mit den Lokbahnhöfen Tribsees (ex GGE-Werkstatt) und Franzburg dem Betriebswerk Barth angeschlossen.
Neben ehemaligen von anderen Strecken umgesetzten Privatbahn-Triebwagen waren auf der ehemaligen Franzburger Südbahn bis 1971 Dampflokomotiven in Betrieb, unter ihnen auch einige der 1945 hierher gelangten Rückführmaschinen, wie die 91 6487, 91 6488 und 89 6002. Hinzu kamen bis Ende der 1950er Jahre auch die alten FSB-Lokomotiven.
1967 wurde das Bahnbetriebswerk aufgelöst und als Einsatzstelle dem Bahnbetriebswerk Stralsund zugeordnet. Gleiches geschah mit den Lokbahnhöfen Tribsees und Franzburg. Seit 1971 werden die Güterleistungen von Lokomotiven der Baureihe 106 (heute: 346) des Bw Stralsund erbracht. Die Triebwagen älterer Bauart konnten bis 1975 endgültig durch LVT der Baureihe 171 (heute: 771) ersetzt werden.
Sämtliche für die FSB bestimmten Reise- und Güterwagen lieferte die Wagonfabrik Görlitz in den Jahren 1894, 1897 und 1898. Vier geschlossene und acht offene Güterwagen waren in den Staatswagenpark eingestellt. Sechs O-Wagen wurden 1920 verkauft. Sie waren überflüssig geworden, da für den regulären Wagenladungsverkehr fast ausschließlich die von der Staatsbahn zugeführten Fahrzeuge genutzt werden konnten. 1945 gelangten neben den erwähnten Lokomotiven auch zahlreiche Reisezug-, Güter- und einige Dienstgutwagen nach Tribsees.
Nach 1949 verschwanden die alten pommerschen Kleinbahnwagen allmählich von ihren Stammstrecken. Im Reiseverkehr kamen nun in erster Linie Länderbahnwagen unterschiedlicher Bauart zum Einsatz. Zuständig für die Bildung der Reisezugwagentrains war das Bahnbetriebswerk Stralsund. In die Umläufe wurde teilweise die Strecke Velgast – Barth einbezogen.
Listen der Lokomotiven und Wagen der Strecke:
Bahn-Nr. | DR-Nr. | Bauart | Hersteller | Baujahr | Fabrik-Nr. | PLB-Nr. | Bemerkung |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1d | - | Bn2t | Vulcan | 1894 | 1367 | - | + um 1938 |
2d | 98 6001 | Bn2t | Vulcan | 1894 | 1368 | 02 N 2210 | 1957 zum Raw Blankenburg, zu letzt Bw Köthen |
3d | 98 6002 | Bn2t | Vulcan | 1894 | 1369 | 03 N 2210 | 6/61 an Fernsehkolbenwerk Niederschlema (Erzgeb.) |
4d | - | Bn2t | Vulcan | 1894 | 1370 | - | 1896 vermutl. an Strausbg.-Herzfelde Kleinbahn abgegeben |
3t | 896102 | Cn2t | Henschel | 1893 | 3772 | 28 N 3310 | ex. pr. T3 |
Bahn Nr. | Gattg. | PLB-Nr. | Gattg. | 1.DR.Nr | 2.DR.Nr | Hersteller | Baujahr | Sitzplätze |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | BCPwi | 221 | CPwi | 103506 Gwd | 719-... | Görlitz | 1894 | 6 II./ 10 III. |
2 | BCi | 52 | BCi | - | - | Görlitz | 1894 | 10 II./ 30 III. |
3 | BCi | 53 | BCi | 98578 Gwd | 310-376 | Görlitz | 1897 | 10 II./ 30 III. |
4 | ACi | 61 | Salon | 98579 Gwd | 310-390 | Görlitz | 1897 | später 40 III. |
5 | Ci | 62 | Ci | - | - | Görlitz | 1898 | später 40 III. |
6 | PwPosti | 224 | Pwi | - | - | Görlitz | 1898 | - |
Quelle zum Artikel:
Archiv deutscher Klein- und Privatbahnen
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern
Erich Preuß
Berlin: Transpress, 1994